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Rundbrief 23 "Brücken bauen"

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Freunde des VEID,

seit Ende April stehe ich an der Spitze des Bundesverbandes Verwaiste Eltern und trauende Geschwister in Deutschland e.V. als erster Vorsitzender. Das Amt ist neu und doch vertraut. Viele Jahre engagiere ich mich im Vorstand. Ich weiß, welche Verantwortung wir für die Entwicklung und den Erfolg der Dachorganisation von Landes- und Regionalvereinen sowie lokalen Selbsthilfegruppen tragen. Die letzten Jahre sind wir mit großen Schritten vorangekommen. Wir haben mit dem VEID vor über 20 Jahren einen Ort gegründet, der Heimstadt wurde für Sie als Mitglieder, als betroffene Familienangehörige nach dem Verlust eines Kindes oder als Traubegleiterinnen und Trauerbegleiter, als Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter, als engagierte Ehrenamtliche, als Freunde, Unterstützer und Spender. Diese Schritte ginge wir gemeinsam auf geraden und holprigen Wegen, mussten dazu neue Pfade ergründen und manche Steine umwandern oder behutsam aus dem Weg räumen.

Und dann waren dort Gräben, die unüberwindbar bei der Vernetzung unserer Interessen schienen. Mit viel Mut und Selbstbewusstsein gingen wir die Aufgabe an, diese zu überwinden: „Brücken bauen“ war das Motto, das nicht nur für die diesjährigen Tagung im Spreewald ausgegeben wurde. Diese Brücken hatten und haben verschiedene Aufgaben und dadurch auch unterschiedliche architektonische Gestalt.

An erster Stelle musste eine Brücke zwischen den Menschen gebaut werden, die mit ihrer Trauer allein gelassen schienen. Sie alle vor Ort waren die Pfeiler, die für die Statik sorgten. Sie gingen in die Gemeinden, zu Sport- und Freizeitvereinen, zu Menschen, von denen sie Unterstützung erwarteten und häufig bekamen. Eine Brücke des Verständnisses entstand, warum Trauer nicht mit dem Begräbnis endet und warum Isolation und Ausgelassenheit das Spannungsfeld waren, in dem sich diese Trauer ausleben durfte und musste.

Ein nächstes Brückenbauwerk wollte gebaut werden. Die Arbeit vor Ort brauchte nicht nur engagierte Menschen, sondern musste auch finanziert werden. Hilfsangebote gab und gibt es nicht zum Nulltarif. Auch wenn es so scheint, dass die Gruppenleitungen in den Selbsthilfegruppen unentgeltlich arbeiten, so spenden sie ihre Freizeit für die Betroffenen. Die angebotenen Stunden, oft abends oder an den Wochenenden basieren auf einer wichtigen Voraussetzung: Professionalität. Erworben in Workshops, wie auf unseren Jahrestagungen oder durch eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin oder zum Trauerbegleiter. Eigene Aufwendungen wurde auch hier eingesetzt, um den Brückenschlag zu vollführen. Ideen für die finanzielle Unterstützung wurden umgesetzt. Durch Spenden oder Zuwendungen die u.a. der Bundesverband organisierte und weiterhin organisieren wird.

Und dann haben wir seit Jahren schon eine feste Brücke in Betrieb. Die Jahrestagungen des VEID. Immer vor Ort an einem anderen Ort. Um sich zu treffen, sich auszutauschen, sich weiterzubilden oder auch, um sich gegenseitig in dem Gefühl zu bestärken, das diese anstrengende und manchmal auch an die Grenzen führende Arbeit für die betroffenen Familien so wichtig ist. So war es auch im Spreewald in diesem Jahr. Wir hatten wieder viel zu bereden. Die Workshops waren gut besucht. Die abschließende Zusammenfassung zeigt uns wieder, dass wir die Brücke freigehalten haben für den gegenseitigen Diskurs. Und wir haben einen neuen Vorstand wählen müssen, um die Brücke zwischen den Menschen, die sich engagieren, stabil zu halten.

Wird es uns mit diesem neuen Vorstand weiterhin gelingen? Das hängt von uns und Euch/Ihnen allen ab. Denn es wird weiterhin ein gemeinsames Werk sein, das Brückenfundament auf Festigkeit zu prüfen und mögliche Risse in ihrer Entstehung zu verhindern. Und diese Brücke darf auch modernisiert werden. Neue „Geländer zum Halt“, wie es unsere Bundesgeschäftsführerin Petra Hohn einmal sagte, können für mehr Vertrauen der Betroffenen, aber auch für Euch/Sie sorgen. Daran wollen wir mitwirken und für Euer/Ihr weiteres Engagement werben. Denn eine Brücke kann man von beiden Seiten aus bauen und begehen.

Ich wünsche uns für die kommenden Jahre, dass wir weitere Brücken schlagen, um die Menschen zu erreichen, die in ihrer Trauer um ein verstorbenes Kind unsere Hilfe benötigen.

Euer/Ihr
Dieter Jantz
1. Bundesvorsitzender des VEID